TwixTel oder Die Chronik eines angekündigten Todes

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Im Dezember wartete das digitale Telefonbuch für die Schweiz und für Liechtenstein mit einer Hiobsbotschaft auf: TwixTel 61 (12/2019) ist die letzte Ausgabe, danach ist Schluss… Dieses Ende stand zwar schon länger im Raum, kam dann aber doch überraschend. Der schlichte Hinweis auf der DVD sorgte bestimmt für manchen Schockmoment, weil mit TwixTel gefühlt ein weiteres Stück Schweizer Kulturgut verlorengeht. Die vielleicht bekannteste Software der Schweiz wird nach gut drei Jahrzehnten eingestellt. Wie konnte es nur so weit kommen? Und wie typisch ist diese Entwicklung für den Software-Markt insgesamt? Was sagt sie über uns und unsere Gegenwart aus? Zeit für einen Rückblick… und ein paar Antworten…

TwixTel war schon da, als ich 1993 auf Einladung der Wirtschaftsförderung des Kantons Bern in die Schweiz kam, um u.a. massgeschneiderte Lösungen für KMU, Vereine und Verbände, Kirchgemeinden und kulturelle Institutionen im Bereich 'Adressverwaltung' anzubieten. Noch im selben Jahr kam ich auf der damals noch ganz jungen Computermesse Orbit mit der Basler Adressverwaltungssoftware WinCard Pro in Berührung. Viele der Funktionen liessen eine Intelligenz erkennen, wie ich sie bei der Entwicklung von Software – insbesondere aus der Sicht der Anwender – immer vermisst hatte. Ich entschied mich auf der Stelle dafür, meine Business-Lösungen künftig auf diesem Programm aufzusetzen. Die erste Version – WinCard Pro 3.0 – besass bereits eine 'Schnittstelle' zu TwixTel, das ich bei der Gelegenheit gleich mitkennenlernte. So war es Ende 1993 (!) schon möglich, eine Adresse in TwixTel zu suchen und mit zwei Clicks in unsere WinCard Pro-Datenbanken zu übernehmen. Wie eng die Verbindung zwischen beiden Programmen damals schon war, lässt sich auch daran ablesen, dass bis Ende 1998 ein kostenloses WinCard Lite auf der TwixTel-CD mitausgeliefert wurde, um für diese Allianz zu werben.

Mit zunehmender Verbreitung der CD-ROM-Laufwerke ab Mitte der 90er Jahre wurde TwixTel auch unabhängig von WinCard Pro interessant. Wenn ein PC mit einem Telefon oder ein Server mit einer Telefonanlage verbunden wurde, konnte TwixTel auch für die Anruferkennung und zum Wählen eingesetzt werden. Dadurch erübrigte sich zugleich die gedruckte Ausgabe des Schweizer Telefonbuchs, deren beeindruckende 25 Bände fast einen Meter Platz im Regal einnahmen oder in einem Gestell aufbewahrt wurden, das es eigens dafür zu kaufen gab. Da die Eintragungspflicht für das Schweizer Telefonbuch erst 1997 aufgehoben wurde, gewährte TwixTel über mehrere Jahre einen schnellen Zugriff auf fast alle Schweizer Adressen mit Festnetzanschluss. So konnte man etwa problemlos in Erfahrung bringen, wer in einer bestimmten Immobilie wohnte. Darüber war ich damals ebenso erstaunt wie über die handelsüblichen CDs, die zu jedem Autokennzeichen die kompletten Halterangaben lieferten. So wenig Datenschutz war damals neu für mich, doch für meine Lösungen sollte sich der freie Zugang zu den Adressdaten als besonderer Glücksfall erweisen…

Nach Einschätzung von Philippe Reichlin, dem Geschäftsführer und jetzigen Besitzer der Herstellerfirma Twix AG, erreichte TwixTel wohl 2004/2005 seinen Zenit mit ca. 225'000 verkauften Exemplaren pro Jahr, darunter 35'000 Netzwerkversionen. Die Twix AG gehörte in ihrer Hochzeit zu den Top 500-Firmen der Schweiz im Bereich 'Informations- und Kommunikationstechnologie'… Seitdem ging der Absatz Jahr für Jahr um 15-25 Prozent zurück. 2019 lag er nur noch bei rund 7'000 Exemplaren.

Der Versuch, mit einer Online-Version umzusteuern und eine Trendwende herbeizuführen, kam 2009 zu spät und wurde aus verschiedenen Gründen 2012 abgebrochen. Ein Telefonbuch der Schweiz im Internet gab es bereits seit Anfang des Millenniums – von einer Tochterfirma von Swisscom, welche ursprünglich auf den Verkauf von Printwerbung im Telefonbuch bzw. im Branchenverzeichnis spezialisiert war und sehr schnell das Internet als neuen Marktplatz für ihre Dienstleistungen begriffen hatte. Sie sass vor allem direkt an der Quelle, aus der auch die Twix AG zweimal im Jahr die aktuellen Daten für TwixTel bezog.

Wer – wie viele WinCard Pro-Anwender – stets im Mai und im November die neue Ausgabe von TwixTel gekauft hatte, bekam vom Niedergang in den letzten 15 Jahren vielleicht gar nichts mit. So dürfte das Aus für die Software am Konvergenzpunkt verschiedener Entwicklungen, auf die ich nun im einzelnen eingehen werde, für viele eine faustdicke Überraschung gewesen sein…

Installation & Betrieb

Um auf die Telefondaten zugreifen zu können, musste die CD auch nach der Installation der Software auf einem PC / Notebook (Einzelplatz-Version) oder auf einem Server (Netzwerk-Version) eingelegt bleiben. Die Installation selbst nahm alle sechs Monate recht viel Zeit in Anspruch, vor allem wenn viele Arbeitsplätze im Spiel waren. Darüber hinaus musste der Lizenzschlüssel für die Freischaltung der Installation immer wieder neu auf dem Postweg angefordert werden, was zu Verzögerungen bei der Verwendung führte. Die Updates inklusive Installation verursachten durchaus nennenswerte Kosten und hinterliessen schon früh den Eindruck mangelnder Benutzerfreundlichkeit. Erst später, nach dem Umstieg auf DVDs, liessen sich auch die Daten auf die Festplatte eines PCs, Notebooks oder Servers kopieren, was sich deutlich auf die Geschwindigkeit des Programms auswirkte. Zusätzlich wurde die Installation von Updates im Netzwerk markant beschleunigt… und die letzten Ausgaben von TwixTel lieferten sogar den Lizenzschlüssel gleich mit. Viele dieser Verbesserungen für die Kunden kamen leider erst unter dem Druck sinkender Absätze zustande… und damit aus der Sicht vieler Anwender zu spät.

Kauf & Verkauf

Trotz des grossen Nutzens waren die jährlichen Kosten für die Anschaffung und für die Installation von TwixTel für die Käufer von Anfang an ein Thema, und nach der Finanzkrise 2007/2008 sowie nach dem Frankenschock von 2015 vor allem ein Argument für dessen Abschaffung, wodurch den Mitarbeitern zugemutet wurde, die Adressdaten fortan im Internet zu suchen und Feld für Feld in die eigene Datenbank herüberzukopieren. Eine seriöse Kosten-Nutzen-Betrachtung hätte in beinahe allen Fällen zu der Erkenntnis verholfen, dass der Einsatz von TwixTel – vor allem bei mehreren Arbeitsplätzen und schon gar beim Einsatz von WinCard Pro – die wesentlich kostengünstigere Variante gewesen wäre… Doch so ging es primär – und oft ausschliesslich – um die Einsparung von Kosten, da die Budgets infolge der Finanzkrisen stark abgeschmolzen waren. Dass statt dessen der Aufwand und die Kosten für die Arbeiten mit Adressen anstiegen, geriet gar nicht in den Blick – weil dadurch ja nicht das Budget für Anschaffungen belastet wurde.

Nespresso hatte es vorgemacht: um einen wohlduftenden Espresso mit ansehnlicher Crema herzustellen, musste keine teure Kaffeemaschine mehr angeschafft werden. Statt dessen stieg der Preis für einen Espresso auf das Mehrfache im Vergleich zu demjenigen aus einer teuren Kaffeemaschine, selbst wenn man die Amortisation der Maschinen in die Berechnung mit einbezog. Die geschmackliche Beurteilung von Nespresso mag unterschiedlich ausfallen, das kaufmännische Urteil dagegen ist eindeutig: Nespresso macht nur dann Sinn, wenn eine teure Maschine nicht in Frage kommt… Der Wegfall von Anfangsinvestitionen wird heute überall als das alles entscheidende Verkaufsargument genutzt, etwa bei Mietsoftware, oder bei Smartphones, die über Mobiltelefon-Abos angeboten werden, oder etwa bei Druckern, die nur halb so viel kosten wie ein neuer Satz ihres Toners. Selbst Car Sharing und Workspaces funktionieren so. Meistens bleibt es bei diesem einen Vorteil, der im Laufe der Zeit teuer bezahlt wird… wie bei einem Kredit ohne Bonitätsprüfung… Dabei sind die vielen anderen, genauso gravierenden Nachteile, die man bei der Umgehung von Anfangsinvestitionen zusätzlich in Kauf nehmen muss, noch gar nicht erwähnt…

Auch der Verkauf von TwixTel verlor im Laufe der Zeit jede Attraktivität. Trotz festgelegter Verkaufspreise unterboten sich Händler und Distributoren im Internet bis zur Sinnlosigkeit mit Rabatten. Und wegen des dramatischen Absatzeinbruchs konnte selbst der Hersteller den Einzelhändlern irgendwann nur noch so geringe Margen anbieten, dass TwixTel ohne Verlust nicht mehr zu verkaufen war. Das Verkaufsnetz wurde immer grobmaschiger, was den Abwärtstrend letzten Endes mitbestimmte.

Umfang und Aktualität der Daten

Mit der bereits erwähnten Aufhebung der Eintragungspflicht für das Schweizer Telefonbuch begann 1997 der Exodus. Zu oft waren die Daten für Telefonmarketing (und Faxwerbung) missbraucht worden. Nun konnte man sich endlich effektiv vor Belästigung schützen, was das Sternchen vor der Telefonnummer (oder vor der Faxnummer) nicht geschafft hatte. Den schnellsten und grössten Rückgang der Einträge bewirkte allerdings der Siegeszug des Smartphones, einer technologischen Errungenschaft, welche zwischen 2007 und heute die Anzahl der Festnetzanschlüsse schlicht halbierte. Viele Firmen zahlten ihren Mitarbeitern sogar ein Smartphone samt Abonnement für die berufliche und für die private Nutzung, wenn sie bereit dazu waren, für ihren Arbeitgeber jederzeit erreichbar zu sein. Und gerade wegen der unmittelbaren Erreichbarkeit wurde schnell klar, dass vor allem private Mobilnummern eines besonderen Schutzes bedürfen. Deshalb sind derzeit auch nur rund 500'000 von elf Millionen (!) Mobilnummern im Schweizer Telefonbuch zu finden.

Swisscom weist derzeit lediglich 1,6 Millionen Festnetzanschlüsse aus, vor 20 Jahren waren es noch 4,15 Millionen. Allein seit 2007 sind bei Swisscom 2,1 Millionen Festnetzanschlüsse weggefallen, auch 2019 gingen weitere 10% verloren. Ein geringerer Teil wanderte nach der Abschaffung von ISDN zur Konkurrenz ab, doch den meisten Menschen genügt heute ein Mobiltelefon, das ja längst ein leistungsfähiger Computer geworden ist, bei dem das Telefonieren für viele nicht einmal mehr die wichtigste Funktion darstellt. Das Telefax war bereits vor dem Ende von ISDN durch eMail, WhatsApp etc. abgelöst worden.

Für TwixTel bedeutete diese Entwicklung eine Halbierung der Adressen auf der DVD bei gleichbleibenden Preisen. Hinzukam das Argument, dass die im Internet abrufbaren Adressen tagesaktuell seien, während sie in TwixTel nur alle sechs Monate auf den neuesten Stand gebracht würden. Dieser Unterschied mag sich in der konkreten Praxis – wie bei uns – selten bis nie ausgewirkt haben, zur Begründung der Abschaffung von TwixTel reichte er allemal aus. Im Zusammenspiel mit WinCard Pro hatte der Einsatz von TwixTel trotz abnehmender Einträge immer einen Überschuss an Vorteilen. Das wird nun auch noch eine Reihe von Jahren für TwixTel 61 gelten, denn die fast 3,3 Millionen Einträge enthalten neben den Adressen und den Rufnummern auch rund 620'000 eMail-Adressen und über 490'000 Internet-Adressen, die per Click an unsere Business-Lösungen mitübergeben werden… bei der Erstübernahme ebenso wie bei der Aktualisierung bereits vorhandener Adressen. Sie stellen damit einen beachtlichen Fundus dar, dessen Einträge noch lange mehrheitlich aktuell und gültig bleiben werden.

Neue Rahmenbedingungen für die Arbeitswelt

Noch im November 2017 ging ich in einem Blog-Beitrag der Frage nach: Ist TwixTel 'sowas von gestern'? Diese Frage war – für mich – vor zwei Jahren noch keineswegs entschieden. Es bestand noch die Hoffnung, dass die viel zu grossen Nachteile und Risiken von Software, die über das Internet genutzt wird – Mietsoftware (Software-as-a-Service) und vermeintlich kostenlose Apps, bei denen man mit seinen Daten bezahlt – von einer breiten Mehrheit wahrgenommen würden und dass dies eine Rückkehr zu Kaufsoftware bewirken könnte. Endgültig entschieden ist auch heute noch nichts. Zum Risiko von Stromausfällen sind das Risiko von Internetausfällen und das Risiko von Angriffen aus dem Internet hinzugekommen. Nun gibt es also drei Klumpenrisiken, welche die Infrastruktur eines Unternehmens, einer Stadt, einer Region… komplett lahmlegen können.

In der letzten Woche führte eine Störung bei Swisscom zum lebensbedrohlichen Ausfall von Notrufnummern in der Schweiz, in dieser Woche war zu lesen, dass ein Angriff mit Schadsoftware dazu geführt hat, dass der weltweit tätige dänische Facility-Management-Konzern ISS seine internetbasierte IT-Infrastruktur mehrere Tage vom Netz nehmen musste, um den Schaden zu begrenzen, zu beheben und überhaupt einschätzen zu können.

Solche Nachrichten sind längst an der Tagesordnung, und die Schäden, welche im Zuge der Globalisierung durch Hacker-Angriffe oder Computerviren, aber auch durch biologische Viren entstehen, nehmen für die Wirtschaft und für die Gesellschaft in der globalisierten Welt gigantische Ausmasse an. Trotzdem steigt immer noch die Anzahl derjenigen, welche die angesprochenen Risiken in Kauf nehmen, weil die finanziellen Spielräume sie dazu zwingen oder weil sie sich einer Entwicklung ergeben, die ihnen unaufhaltsam erscheint. TwixTel ist nicht zuletzt ein Opfer dieser Entwicklung geworden, die von einem sehr erfolgreichen Marketing angetrieben wird, das 'Mobilität' als eines der wichtigsten Güter der Gegenwart in den Köpfen verankert und damit die Lebenswelt und die Arbeitswelt selbst von Menschen verändert hat, welche – eine solche – Mobilität gar nicht benötigen.

Wir leben definitiv in Zeiten knapper werdender Mittel: alleine die Stadt Bern rechnet für 2020 mit 30 Millionen weniger Steuereinnahmen als budgetiert, also mit einem massiven Steuereinbruch, wie am 20.01.2020 in der Tageszeitung Der Bund zu lesen war. Da verwundert es nicht, wenn der Besitz investitionsintensiver Güter (Auto, Büro, IT-Infrastruktur…) abnimmt. Statt dessen reicht es, ja muss es reichen, sich für den Bedarfsfall den Zugang zu solchen Gütern zu sichern (Car Sharing, Workspaces, Mietsoftware, Anmietung von Speicherplatz in der Cloud, also auf Servern, die über das Internet zugänglich sind…). Einen Gesichtsverlust muss man nicht befürchten… Wenn Mobilität nun das grösste und wichtigste Gut ist und pure Freiheit in Aussicht stellt, dann lässt sich Besitz ganz leicht in Ballast umdeuten, von dem man sich am besten gleich befreit, damit er nicht blockiert und einengt… Anders formuliert: die Zeichen stehen schlecht für Kaufsoftware…

Fazit

Eine nähere Betrachtung der verschiedenen Entwicklungsstränge, die zum Aus für TwixTel geführt haben, mündet in die Erkenntnis, dass dieses Ergebnis nicht abzuwenden war, obwohl es sich schon länger abzeichnete. In einer globalisierten Welt werden Kräfte freigesetzt, die in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Gesellschaft Schicksale besiegeln und uns zunehmend fremdbestimmen. So hat etwa das Corona-Virus durchaus das Potential, die Diktatur in China zu stürzen oder die Massenkreuzfahrt zu versenken, weil sich die schwimmenden Kleinstädte plötzlich als tödliche Falle, zumindest aber als unkalkulierbares Risiko für Gesundheit und Terminplan erweisen. Aus Sicht von Finanzexperten können die gigantischen Verluste durch das Corona-Virus sogar einen Stillstand der hochverschuldeten Weltwirtschaft und einen Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems bewirken. Angeblich erleben wir gerade den Anfang vom Ende der Globalisierung selbst. Die Gier nach Profiten hat China und Russland zu den grössten Klumpenrisiken der Weltwirtschaft aufsteigen lassen, was nun nicht mehr zu übersehen, von den Konsequenzen her aber auch nicht mehr hinnehmbar ist.

Solange die Digitalisierung mit ihren Klumpenrisiken, die von nun an permanent die Infrastruktur der 'Informations- und Kommunikationstechnologie' weltweit bedrohen, nicht zu – Häufungen von – ähnlichen GAUs mit gigantischen Schäden und echten existentiellen Gefährdungen von Einzelpersonen, Unternehmen, Städten, Regionen oder ganzen Volkswirtschaften führen, wird auch diese Entwicklung, mit der ebenfalls Abermilliarden verdient werden, immer weiter vorangetrieben, lässt man uns schön weiter dem Mythos von Freiheit durch Mobilität hinterherjagen, wobei wir uns paradoxerweise in immer ausweglosere Abhängigkeiten verstricken. Das Corona-Virus, das vor wenigen Monaten noch niemand kannte, hat auch ein jähes Ende der Digitalisierung durch einen Supergau für uns alle vorstellbar – und für einige von uns wahrscheinlicher – werden lassen.

Vielleicht nehmen wir das Finale von TwixTel einmal zum Anlass, darüber nachzudenken, was das Internet und digitale Medien mit uns machen. Was es für uns in der Konsequenz bedeutet, wenn es keine Software mehr zu kaufen, sondern nur noch über das Internet zu mieten gibt. Beim Thema 'Klimaschutz' hat ein ähnlich radikaler Reflexionsprozess ja schon viel bewegt, zu neuen Einsichten verholfen und erste Verhaltensänderungen bewirkt. Die abfälligen und geringschätzigen Äusserungen vieler Informatiker, für die TwixTel in den letzten Jahren nur noch eine Software von vorgestern war, gingen völlig an der Arbeitswelt vorbei, in der TwixTel auch heute noch wertvolle Dienste leistet, wo es denn noch eingesetzt wird. Und weil zahlreiche Informatiker für eine Arbeitswelt programmieren, von der sie nicht den Hauch einer Ahnung haben, gibt es mittlerweile zahlreiche Software-Lösungen, die sich an Absurditäten überbieten. Oft sind es die ungewollten und unbemerkten Nebenwirkungen solcher Programme aus dem Tal der Ahnungslosen, welche den Anwendern das Leben unendlich erschweren anstatt es zu erleichtern und angenehmer zu gestalten. Besonders krasse Fälle werde ich künftig in diesem Blog in einer neuen Rubrik mit dem Titel 'Rückschritt durch Technik' vorstellen…

Es bleibt mir, 'Danke' zu sagen für mehr als 25 Jahre, in denen TwixTel unseren Kunden und uns selbst viel Arbeit bei der Erfassung und Aktualisierung von Schweizer Adressen abgenommen und auch bei der Anruferkennung und beim Wählen gute Dienste geleistet hat. Daran soll sich auch auf absehbare Zeit nichts ändern, denn wir werden noch so lange wie möglich die finale Version einsetzen…

TwixTel 61 (12/2019)

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31.08.2021: Rund 20 Monate nach dem Erscheinen der letzten TwixTel-Version und über ein Jahr nach dem Verkauf des letzten Exemplars erhalte ich immer noch wöchentlich Anrufe von Interessenten, die auf der Suche nach einem Exemplar sind und gar nicht verstehen können, dass es TwixTel nicht mehr gibt… und auch keine Alternativlösung. Der Verweis auf Online-Telefonbücher im Internet oder die Möglichkeit, Adressen bei einschlägigen Anbietern teuer zu mieten oder zu kaufen, ist natürlich nicht die Antwort, die sie sich erhoffen. Um so schmerzlicher ist die Erkenntnis, dass sie mit ihrem eigenen Kaufverhalten zum ersatzlosen Verschwinden einer ebenso wertvollen wie praktischen Löung beigetragen haben. Hoffentlich lesen diese Interessenten nicht nur meinen Nachruf auf TwixTel, sondern auch meine anderen Beiträge in diesem Blog… denn es steht inzwischen viel mehr auf dem Spiel. Wenn wir unser Verhalten nicht radikal ändern und die Komfortzone endlich verlassen, geht das Artensterben weiter, der Klimawandel, die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, die Abschaffung des Bargeldes. Es wird Zeit, dass wir aufwachen und erkennen, welche Rolle jeder einzelne von uns in allen diesen fatalen Entwicklungen spielt. Sie geschehen nicht einfach, wir alle tragen dazu bei, dass es sie überhaupt gibt.

Veröffentlicht von Armin Biermann vor 4 Jahren, 22.2.2020

Abgelegt in: Allgemein

3 Antworten zu “TwixTel oder Die Chronik eines angekündigten Todes”

  1. 13. Oktober 2020 at 12:51

    Ich vertreibe mit meiner Firma Faust Information GmbH seit 1993 Internationale Firmendatenbanken und Telefon-CDs. Die TwixTel war das letzte Produkt, das seit dem Anfang in unserem Verkaufsprogramm war und weltweit das beste Preis-/Leistungsverhältnis hatte, obwohl wir zur Hochzeit Telefon-CDs aus über 60 Länder vertrieben haben. Schade TwixTel – ich werde die CD vermissen…

  2. Martin Eichenberger
    17. Mai 2020 at 18:01

    Vielleicht wird in nächster Zeit so manch einer den Zusammenhang zwischen Endemie und Epidemie begreifen. Das ist nicht nur in der Medizin so. Vielfältigkeit im Kleinen übersteht die Einfältigkeit im Grossen.
    Betreffend Twixtel-Ende habe ich mich gefragt, ob es Zufall ist, dass „Directories“ kompliziert und viel teurer vermarktet wird. Habe mich gefragt, ob ich BIT mal anfragen sollte, ob es noch zeitgerecht erscheint, mit unseren Daten immer noch Telefonbücher anzubieten und sich nicht um so etwas wie Twixtel zu kümmern. Eigenartig ist auch, dass die kurzzeitige quasi öffentliche Verbindung zur Telefonanlage TAPI via telsearch / localnet früher sofort wieder abgeblockt wurde. In D gibts schon rel. holprige Lösungen via Fritz…

  3. 6. April 2020 at 18:59

    Lieber Armin, Dein Bericht ist nicht nur interessant zu lesen, er hat mir als zufriedener Nutzer noch mehr Zusammenhänge aufgezeigt. Aber ich glaube auch, wenn im Markt etwas Wichtiges fehlt, gibt dies einen Anreiz für neue Lösungen (die vielleicht dann noch besser sind …?). Bist Du schon am Entwickeln??? Herzliche Grüsse

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