Schon vor über 40 Jahren hatten Wissenschaftlerinnen in der '
Geschlechterforschung'
herausgearbeitet, dass das Weibliche in der Gesellschaft bis tief in die Sprache hinein unterrepräsentiert ist, und diese Strukturen als Symptom patriarchaler Unterdrückung stigmatisiert. Schwer beeindruckt hat mich damals eine Entdeckung in der berühmten Encyclopédie von Diderot und D'
Alembert, die im XVIII. Jahrhundert das gesamte Wissen ihrer Zeit erfassen wollte: während zum Eintrag '
homme'
('
Mann'
& '
Mensch'
!) seitenlange Traktate zu finden sind, besteht der Eintrag '
femme'
('
Frau'
) aus einem einzigen Satz: c’est la femelle de l'
homme (das ist das Weibchen des Mannes). Die Beobachtung war insofern überraschend, als sich die Autoren der Encyclopédie aus der Crème de la Crème der Philosophen der Französischen Aufklärung rekrutierten, die sich bekanntlich '
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit'
auf ihre Fahnen geschrieben hatten.
Auch der Feminismus hat seine Wurzeln in den Idealen der Aufklärung und blickt damit auf eine lange Tradition zurück. Trotzdem gibt es heute noch Gleichstellungsbeauftragte, finden noch Frauen-Quoten bei der Besetzung von Posten und Gremien Anwendung und werden Frauen selbst in den Ländern, die sich in der Tradition der Europäischen Aufklärung verstehen, im Schnitt noch deutlich schlechter bezahlt als Männer. Auch die Spitzenpositionen in Politik und Wirtschaft werden immer noch mehrheitlich von und mit Männern besetzt. Was ist da schiefgelaufen in den Bemühungen, die '
Gleichheit'
der Menschen vom Sockel eines '
Ideals'
auf der Repräsentationsebene der Gesellschaft herunterzuholen in die Niederungen der gesellschaftlichen Wirklichkeit, wo nach wie vor so viel Ungleichheit anzutreffen ist?
Die Gründe sind vielfältig und liegen nicht nur bei der '
bösen'
Gesellschaft, deren Mikrostrukturen auf die Reproduktion der sozialen Verhältnisse ausgerichtet sind, wie der Soziologe Pierre Bourdieu in seinem Hauptwerk '
Die feinen Unterschiede'
akribisch herausgearbeitet hat. So wie China heute gegenüber dem Westen auf einem Recht auf Umweltverschmutzung besteht, nachdem dieser jahrzehntelang die Umwelt rücksichtslos zerstört hatte, so findet man unter Feministinnen den Standpunkt, die bestehenden Machtverhältnisse müssten durch ein Matriarchat vom Kopf auf die Füsse gestellt werden. Die Universität Leipzig – etwa – machte vor Jahren mit einer Satzungsänderung auf sich aufmerksam, wonach fortan im internen Sprachgebrauch zur Bezeichnung geschlechterübergreifender Gruppen nur noch das '
generische Femininum'
verwendet werden sollte, also etwa '
Professorinnen'
.*
Leider lösen solche symmetrischen Negationen nie das Problem, sondern tauschen nur die Vorzeichen aus. Sie können sich nicht einmal von dem lösen, was sie bekämpfen, weil sie es weiterhin zur eigenen Orientierung benötigen: was im Patriarchat als '
gut'
gilt, muss für '
schlecht'
befunden werden, und umgekehrt. Und je aggressiver die Feministinnen auftraten, desto grösser war die Ablehnung, die ihnen entgegenschlug. Oft wurde ihnen männliches Verhalten vorgeworfen, letztlich nur ein Imitat dessen zu sein, was sie bekämpften.
Anscheinend steht bei der '
Gleichberechtigung'
trotz aller Bemühungen und aller Erkenntnisse aus über 40 Jahren Forschung der Durchbruch noch aus. Starke Frauen in Machtpositionen – wie Christine Lagarde oder Angela Merkel – sind die Ausnahme geblieben… und wahrlich nicht dadurch aufgefallen, dass sie sich besonders für die '
Sache der Frauen'
eingesetzt hätten.
Wie dagegen die MeToo-Bewegung seit einiger Zeit aufdeckt, leiten viele Männer (und Frauen) auch heute noch aus ihren Machtpositionen das Recht ab, Frauen (und Männer) auf alle erdenklichen Weisen zu belästigen, zu missbrauchen, zu erniedrigen und auszubeuten. Erst durch die Veröffentlichung solcher Verbrechen sind nun Verhaltensänderungen zu erwarten… leider nicht aus Einsicht und Reue oder aufgrund einer geänderten Einstellung zum anderen Geschlecht oder zu anderen Menschen. Es ist vielmehr die nackte Angst vor öffentlicher Ächtung und Vernichtung der eigenen Existenz, wie es etwa dem Schauspieler Kevin Spacey widerfahren ist. Der Befund ist niederschmetternd. Solche krassen Missstände sollte es doch längst nicht mehr geben. Wie aber kann das Ideal der '
Gleichheit'
doch noch verwirklicht werden, und was ist unbedingt zu vermeiden, weil es kontraproduktiv ist?
Eine der Fehleinschätzungen in der Frauenbewegung bestand in der Annahme, man könne die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Erziehung neutralisieren. Statt Jungen mit Puppen spielen und häkeln zu lassen, hätte man besser die Unterschiede zwischen Männern und Frauen aufarbeiten und thematisieren sowie '
Respekt'
und '
Bescheidenheit'
als oberste Lernziele in die Erziehung und in die Bildung aufnehmen sollen. So hätten soziale Rollen auf alle Geschlechter geöffnet, so hätte durch einen '
Prozess der Zivilisation'
in vielen Fällen verhindert werden können, was wir heute über den Missbrauch von Frauen und Männern durch Menschen in Machtpositionen und von Mädchen und Jungen durch Pädophile, vor allem auch im vermeintlich geschützten Raum der christlichen Kirchen, wissen. Alleine das Ausmass der Verbrechen und der skrupellosen psychischen Zerstörung aus purem Egoismus sprengt das Vorstellungsvermögen jedes zivilisierten Menschen. Aber ohne Respekt und Bescheidenheit werden diese Verbrechen – Stand heute – weitergehen, wann immer die Täter das Risiko für sich selbst als kalkulierbar erachten.
Eine weitere Fehleinschätzung betrifft die Wirkungsmächtigkeit von Sprachregelungen im Hinblick auf die Veränderung persönlicher Einsichten und Einstellungen. Gemeint ist die Hoffnung, dass Männer Frauen respektieren werden und dass Gleichberechtigung sich Bahn brechen wird, wenn Mann nur lange genug dazu gezwungen wird, geschlechtergerechte Formulierungen – wie in der Anrede '
Gästinnen und Gäste'
– zu lesen, anzuhören und zu verwenden. Doch einen solchen Kausalzusammenhang gibt es gar nicht. Sprache ist ein Zeichensystem, bei dem die Beziehung zu den Bedeutungen willkürlich ist. Unterschiedliche Sprachen konstruieren und strukturieren die Wirklichkeit unterschiedlich (Blickfang, eye-catcher) und verwenden dazu unterschiedliche Begriffe, die sich oft nicht einmal auf eine gemeinsame etymologische Herkunft zurückführen lassen (femme, Frau, woman, mujer). Kinder erzieht man zu Respekt vor Frauen nicht durch Sprachregelungen, sondern indem Männer im allgemeinen und Väter im besonderen ihnen diesen Respekt vorleben, der sich in allen Details des Verhaltens gegenüber Frauen manifestiert, nicht in Lippenbekenntnissen und grossen Gesten.
Künstliche Intelligenz, so habe ich kürzlich in einem Beitrag ausgeführt, bewegt sich bei menschlichen Sprachen ausschliesslich auf der Ebene der Zeichen (Ebene der Syntax) und stellt dort Korrelationen her, die lediglich den Eindruck erwecken, als ob Maschinen menschliche Sprache verstehen könnten. Auch die Regelungen für eine gendergerechte Sprachverwendung verändern nur etwas auf der syntaktischen Ebene, wo lediglich '
Zeichen hin- und hergeschoben werden'
, wie der Sprachphilosoph John Searle es ausdrückte. Ob jemand nur von '
Wählern'
oder stets von '
Wählerinnen und Wählern'
spricht, sagt in beiden Fällen überhaupt nichts über die Einstellung zum anderen Geschlecht (oder anderen Geschlechtern) aus. Der schlimmste Sexist ist fein raus, wenn er immer schön geschlechtergerechte Sprache verwendet, denn bei natürlichen Sprachen müssen Äusserungen überhaupt nicht so gemeint sein, wie sie – gesagt und – verstanden werden…
Es liegt in der Natur menschlicher Sprache, Bedeutungen auf verschiedenen Ebenen zu erzeugen, da das menschliche Gehirn nur über eine begrenzte Verarbeitungs- und Speicherkapazität verfügt. Bedeutungen ('
wahlberechtigte bzw. wählende Männer'
/ '
wahlberechtigte bzw. wählende Männer und Frauen'
) kleben nicht an den Zeichen ('
Wähler'
/ '
Wählerinnen'
), sondern entstehen auf der Basis von Wissen (Ebene der Semantik) sowie durch zusätzliche Informationen in konkreten Situationen (Ebene der Pragmatik) im Gehirn des Sprechers/Autors bzw. des Zuhörers/Lesers. Von der – bedauernswert späten – Einführung des Frauenwahlrechts bis zur Aufstellung gendergerechter Sprachregelungen lernte man und wusste dann, dass auch die Wählerinnen gemeint waren, wann immer von '
Wählern'
die Rede war. Immer häufiger wird – aus lauter Verzweiflung – auch auf substantivierte Partizipien – wie '
die Wählenden'
– ausgewichen, was in den allermeisten Fällen aber inhaltlich falsch ist, weil das Partizip Präsens grundsätzlich nur Tätigkeiten bezeichnet, die im Moment der Äusserung gerade ausgeführt werden… Wähler werden immer nur für einen kurzen Augenblick zu Wählenden: im Moment ihrer Stimmabgabe. Und nicht alle Dolmetschenden, also alle Personen, die gerade etwas für jemanden in eine andere Sprache übersetzen, sind deshalb schon Dolmetscher, selbst wenn die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist. Eine Aussage wie '
Die Dolmetschende macht sich auf den Weg zu ihrem nächsten Einsatz'
macht also gar keinen Sinn. Sie ist vielmehr Ausdruck einer Sprachbeherrschung, die solche '
feinen Unterschiede'
nicht mehr kennt. Auch der Begriff '
die Studierenden'
bedeutet in der Konsequenz, dass Studenten zwischen Immatrikulation und Exmatrikulation nicht anderes machen als studieren. Helmut Weiß, Professor für Historische Linguistik an der Goethe-Universität Frankfurt, verdanke ich ein weiteres absurd-schönes Beispiel, von denen sich mit etwas Nachdenken unzählige finden lassen: '
die an der Ampel stehenden Radfahrenden'
.
Der Oberbegriff '
die Bürger'
einerseits, bei dessen Verwendung die Zusammensetzung der bezeichneten Gruppe aus verschiedenen Geschlechtern als gegeben vorausgesetzt wird und werden kann, weshalb eben nicht bei jeder Gelegenheit immer wieder darauf hingewiesen werden muss, und die Unterbegriffe für eine geschlechtsspezifische Unterscheidung ('
die Bürgerinnen'
/ '
die Bürger'
) andererseits entsprechen einem sprachökonomischen Mechanismus, der in natürlichen Sprachen überall vorkommt. Die Begriffe '
Bildung'
und '
Erziehung'
– etwa – haben klar unterschiedliche Bedeutungen, sonst wäre schon aus Gründen der Sprachökonomie längst einer von beiden verschwunden. Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, in denen einer der Begriffe stellvertretend für beide verwendet wird, weil es in sogenannten '
synonymischen Kontexten'
gerade nicht auf die Bedeutungsunterschiede ankommt. '
Wahlberichterstattung'
oder '
Nachrichtensendungen'
sind solche '
synonymischen Kontexte'
, in denen – etwa – die Wahlergebnisse der verschiedenen Parteien und die Wählerwanderungen im Mittelpunkt stehen. Nur wenn es konkret um das Abstimmungsverhalten der einzelnen Geschlechtergruppen geht, macht es in diesem Kontext – auch sprachlich – Sinn, zwischen Wählerinnen und Wählern zu unterscheiden. Der Ökonomiezwang natürlicher Sprachen könnte übrigens – so eine steile These von mir – sogar verantwortlich dafür sein, welcher Begriff sich sprachgeschichtlich als Oberbegriff durchgesetzt hat. Dann hätten allerdings nicht die Bezeichnungen für das männliche Geschlecht, sondern – viel banaler – die kürzeren Begriffe das Rennen gemacht, und beide hätten bloss zufällig übereingestimmt…
Nach allem, was die Sprachwissenschaft, die Sprachpsychologie, die Sprachsoziologie, die Sprachphilosophie und die Sprachgeschichte, um nur die wichtigsten Disziplinen zu nennen, in den letzten acht Jahrzehnten über den Aufbau, die Funktionsweise und die Entwicklung menschlicher Sprache herausgefunden haben, hätte man wissen können, dass Sexismus und Ungleichheit nicht auf der Zeichenebene bekämpft werden können. Trotzdem wird auch aktuell noch immer viel Energie darauf ver(sch)wendet, stets neue Konventionen auf der Zeichenebene auszutüfteln, um die Wirklichkeit auch in der Schrift noch besser abzubilden… Zeichenkonstellationen wie '
Wähler*innen'
, die neuerdings mit '
Gendersternchen'
umfassend alle derzeit bekannten biologischen und psychologischen Geschlechter bezeichnen sollen, werden keinen einzigen Sexisten zum Nachdenken anregen, oder gar zum Umdenken bewegen. Sie werden auch nichts gegen Benachteiligung ausrichten. Und dass nicht wirklich mehr Klarheit mit Begriffen wie '
WählerInnen'
geschaffen wird, zeigen in Gesprächen Präzisierungen wie '
WählerInnen mit kleinem i'
in all jenen Fällen, in denen tatsächlich nur Frauen gemeint sind. Und Äusserungen wie '
Vor allem Frauen gehörten zu den StreiterInnen für Demokratie'
klingen absurd und zeigen vermeintlich gendergerechter Sprache ihre Grenzen auf. Der Oberbegriff '
StreiterInnen'
hat sich eben nicht im historischen Prozess – auf quasi '
natürliche Weise'
– herausgebildet, sondern wurde aufgrund partikularer Interessen künstlich aufgepfropft. Es macht aber gar keinen Sinn, etwas aufzwingen zu wollen, das sich überhaupt nicht allgemeinverbindlich durchsetzen lässt und statt dessen weithin nur – massive – Gegenreaktionen provoziert. Spätestens hier wird klar, dass natürliche Sprachen so nicht funktionieren – und niemals funktionieren werden. Und weil das Gendern die Sprache künstlich verändert, wird es auch fast nie durchgehalten, was deutlich zeigt, dass es dem Gehirn nicht gelingt, sich beim Sprechen und Schreiben ständig auf zwei Dinge gleichzeitig zu konzentrieren.
Es verwundert daher nicht, dass bei diesem Ansatz eher behauptet als nachgewiesen wird, dass solche Sprachregelungen überhaupt etwas an den Einstellungen gegenüber Frauen bewirken. Aufgrund der willkürlichen Beziehung von Zeichen und Bezeichnetem ist das auch gar nicht möglich. Der Aufwand einer Überprüfung, ob jemand eine '
politisch korrekte'
Einstellung gegenüber Frauen besitzt, wäre nämlich in der Fläche kaum zu leisten, weil sie das gesamte Verhalten in den Blick nehmen müsste. Als Vergleich fallen mir Multiple Choice-Tests ein, bei deren Auswertung auch nur auf der Zeichenebene geprüft wird, ob sich die Kreuze an den richtigen Stellen befinden, was aber nichts darüber aussagt, ob die geprüften Inhalte tatsächlich verstanden und die Lektionen wirklich gelernt wurden. Für eine tatsächliche Prüfung wären offene Antworten auf offene Fragen viel besser geeignet, doch die würden den Prüfungsaufwand vervielfachen und den Rahmen kaputtgesparter Bildungswesen sprengen…
Es bleibt festzuhalten, dass die Bemühungen um politisch korrekte Sprachverwendung auf der Ebene der Zeichen steckenbleiben, genauso wie Künstliche Intelligenz bei der Simulation menschlicher Sprache. Die entscheidenden Ebenen sind aber diejenigen, auf denen die '
Bedeutungen'
(Semantik) und die '
Bedeutungen in konkreten Situationen'
(Pragmatik) ins Spiel kommen. Nur wenn es gelingt, Begriffe mit Inhalten zu füllen, mit ihnen einen Sinn zu vermitteln, lassen sich Einsichten gewinnen und Einstellungen verändern. Sonst bleibt es bei leeren Sprachhülsen – ein Zusammenhang, den Immanuel Kant schon zu seiner Zeit so auf den Punkt brachte: '
Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind'
.
Menschliche Sprachen haben sich in der Geschichte ihrer Verwendung herausgebildet und enthalten somit immer auch Sedimente der Strukturen vergangener Gesellschaften, die aber nur deshalb erhaltengeblieben sind, weil sich ihre Bedeutung im Laufe der Zeit gewandelt hat und so auch auf neue soziale Wirklichkeiten übertragen werden konnte. Dass mit den besten Absichten künstlich – und wider jede Sprachökonomie und Sprachästhetik – in natürliche Sprachen implantierte Strukturen auf Dauer nicht wieder abgestossen werden und statt dessen sogar auf gesellschaftliche Strukturen zurückwirken, ist ebenso unwahrscheinlich wie das Auslösen einer Revolution durch vermeintlich '
gefährliche Literatur'
.
Darin könnte eine Erklärung liegen, warum wir mit '
politisch korrekter'
Sprache das Problem nicht lösen, wieviel Energie wir auch noch in die Bemühungen stecken. Vorgestern war auf der Titelseite der Berner Tageszeitung '
Der Bund'
zu lesen, dass gemäss einer Langzeitstudie vier von zehn jungen Frauen innerhalb eines Jahres Opfer von Gewalt werden, wobei die dominanten Mädchen häufiger belästigt werden. So sieht auch 2019 noch die Realität aus… und die lässt sich nach meiner Überzeugung nur mit – einer anderen – Erziehung und Bildung – hin zu Respekt und Bescheidenheit – ändern, nicht mit ein paar zusätzlichen Zeichen in beinahe jedem Satz.
Andererseits wird seit Jahren immer wieder kritisch darauf hingewiesen, dass mit der '
politischen Korrektheit'
die Sprachverwendung moralisiert wird. So kann es passieren, dass jemand mit Sexismus-Vorwürfen konfrontiert und in der Folge diskreditiert und diskriminiert wird, nur weil er nicht ordnungsgemäss '
politisch korrekte Sprache'
verwendet hat. Dabei ist er gar kein Sexist und diskriminiert auch keine Minderheiten. Sanktionen in diesem Bereich können also ganz leicht mal die Falschen treffen, wenn sprachliche Äusserungen schlicht, ja zu schlicht als Ausdruck einer bestimmten Haltung fehlinterpretiert werden, die aber bloss unterstellt wird. Vielen vorschnell Urteilenden ist nicht bewusst, welchen Schaden sie mit ihren Kurzschlüssen anrichten können… Sie halten sich ja schliesslich auch für die Guten. Seit kurzem gibt es sogar einen ersten Fall, bei dem die Verletzung der Regeln für gendergerechte Sprache zur Ablehnung einer Motion geführt hat. Formale Kriterien waren ausschlaggebend für die Rückweisung eines politischen Antrags, und damit offenbar wichtiger als dessen eigentlicher Inhalt… Mit solchen Prioritätensetzungen führt man Politik definitiv ad absurdum…
Dadurch bin ich im doppelten Wortsinn '
betroffen'
, denn politisch korrekte Sprache löst bei mir dieselben physischen Abwehrreflexe aus wie Sprachnachrichten in WhatsApp: beide blähen die Kommunikation ungemein auf, kosten unnötig viel Zeit, lassen aber keinen Nutzen erkennen. Sprachnachrichten ohne triftigen Grund ignoriere ich. Ich höre nicht umständlich dabei zu, wie selbst einfache Gedanken über den Umweg nicht enden wollender Monologe nur ganz langsam Gestalt annehmen, wenn sich das Ergebnis solcher Denkprozesse auch mit einem Blick erfassen lässt. Politisch korrekte Sprache kommt für mich persönlich nicht in Frage, weil sie keine Aussagekraft besitzt, die Kommunikation dagegen sosehr mit wohlmeinenden Füllwörtern überfrachtet, dass die eigentlichen Inhalte davon verschüttet werden (etwa wenn Annegret Kramp-Karrenbauer sich bei ihrer Antrittsrede als Verteidigungsministerin zigmal an '
die Soldatinnen und Soldaten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr'
wendet). Vor allem die absolut überflüssigen Wiederholungen solcher Aufzählungen – ohne jeden neuen Erkenntnisgewinn – behindern und verhindern definitiv die Konzentration auf den jeweiligen Inhalt, wie ein vibrierendes Smartphone bei der Lektüre eines Buches. Und Gendersternchen, die neuerdings als Pause gesprochen werden, überschreiten selbst bei verständnisbereiten Menschen das Mass des Zumutbaren und bereiten zudem Verständnisprobleme, weil der durch die Pause abgetrennte Wortteil seine eigene Bedeutung entfaltet: '
Was haben die Wähler innen dazu gesagt?'
Man möchte ergänzen: '
Und aussen?'
Als Schutz vor solchen Zumutungen meide ich konsequent alle Situationen, in denen sogenannte Gendergaps gesprochen werden. So läuft die ideologisch verbissene Kaperung der Sprache zwangsläufig ins Leere, was die dogmatisch verhärteten Akteure und ihre opportunistischen oder von ihrem Arbeitgeber dazu gezwungenen Mitläufer leider nicht mitbekommen. Die zweckentfremdete und zerstörte Sprache erschafft in Wort und Schrift eine Paradoxie, denn sie bewirkt das genaue Gegenteil der ihr zugrunde liegenden Absichten: Menschen wenden sich ab, hören gar nicht mehr zu, entwickeln Aggressionen. Deshalb ist es so fatal, wenn seriöse Medien sich daran beteiligen, weil Menschen sie dann nicht mehr nutzen, um sich zu informieren.
Wer mich kennt, weiss jedenfalls, dass ich Frauen, Kindern und Angehörigen von Minderheiten auf Augenhöhe begegne. Und wer mich nicht kennt, den kann auch ich nur mit Argumenten und durch mein Verhalten davon überzeugen, nicht durch die Verwendung künstlicher – und zum Teil so schrecklich bemühter – Begriffe wie '
Gästin'
oder '
Student*innenvertreter*in'
. Ganz zu schweigen von so unglaublich absurden Begriffen wie '
Partnerinnen- und Partnerstaaten'
oder '
Arbeitendenquartier'
, die SRF-Nachrichtensendungen in die Welt setzen. Im übrigen halte ich es für absolut kontraproduktiv, wenn Satiriker das Gendern und dessen Befürworter lächerlichmachen, indem sie mit stets neuen Unsinnsbegriffen wie '
Menschinnen und Menschen'
auf der Bühne vor allem eines machen: sie gendern ebenfalls.
Mit der Reform der deutschen Rechtschreibung wurde bereits einmal der Fehler begangen, die Sprache durch künstliche Eingriffe zu verändern. Indem man den Analphabeten mit Vereinfachungen entgegenkam, sollten Kosten im Bildungswesen eingespart werden. Viele Bedeutungsunterschiede gingen dadurch verloren, mithin sprachliche Differenzierungen und Ausdrucksmöglichkeiten ('
falsch liegen'
/ '
falschliegen'
, '
leise stellen'
/ '
leisestellen'
, '
ruhig bleiben'
/ '
ruhigbleiben'
, '
leicht fallen'
/ '
leichtfallen‘ oder '
etwas ernst nehmen'
/ '
etwas ernstnehmen'
). Die deutsche Sprache ist seitdem deutlich ärmer geworden, was unmöglich das Resultat einer Reform sein darf. Abgesehen davon, dass viele Menschen da nicht mitgemacht haben und auch nicht dazu gezwungen werden konnten, hat die Reform übrigens – ausser Verwirrung und dem Verlust einer klaren Linie – nichts gebracht, denn 20 bzw. 24 (!) von 100 Jugendlichen im Alter von 15 Jahren sind – gemäss der aktuellen Pisa-Studie – in Deutschland bzw. in der Schweiz auch im Jahr 2019 nicht in der Lage, die Inhalte von Texten zu erfassen. Das künftige Nebeneinander von alter Rechtschreibung, neuer Rechtschreibung und den vielen Varianten angeblich '
gerechter'
Schrift wird ganz sicher nicht zu einer Verbesserung der Situation beitragen… im Gegenteil.
Wir sollten den Fehler nicht wiederholen, indem wir uns einbilden, der Zwang zur Verwendung politisch korrekter bzw. gendergerechter Sprache, die nichts über die jeweilige Gesinnung aussagt und auch nicht auf diese abfärbt, könnte die permanente, arbeitsintensive Erziehung und Bildung zu Bescheidenheit und zu Respekt, auch zu Respekt vor Frauen, erübrigen oder würde Gewalt gegen Frauen verhindern. Spätestens wenn Gleichberechtigung und gegenseitiger Respekt in der Gesellschaft verwirklicht wären, würde auch dem Argument von Frauen und Minderheiten der Boden entzogen, sie fühlten sich durch Anreden wie '
Liebe Berner '
, die dem '
Plural des maskulinen Begriffs'
entsprechen, nicht angesprochen, nicht mitgemeint und nicht mitgedacht. Schon jetzt lässt sich – jenseits ideologischer Motive – argumentieren, dass man eine Sprache nicht gut genug beherrscht, wenn man die verschiedenen Bedeutungen eines Oberbegriffs nicht kennt und folglich nicht erkennt. Und es dürfte eigentlich auch jetzt schon einleuchten, dass wir unmöglich sämtliche Oberbegriffe durch eine Aufzählung aller ihrer Unterbegriffe auflösen können, ohne die Sprache zu zerstören. Mal abgesehen davon, dass sich bestimmte Oberbegriffe wie '
die europäischen Intellektuellen'
einem Missbrauch für geschlechterpolitische Statements erfolgreich entziehen. Zum Glück lernt man bei Sprachen ja nie aus… Bisher jedenfalls kämpfen wir um Gleichheit und Gleichberechtigung vornehmlich gegen Windmühlen… in der Tiefebene der Zeichen. Um es mit einem Klassiker aus der so bilderreichen englischen Sprache auf den Punkt zu bringen: '
We are barking up the wrong tree'
.
Erziehung und Bildung sind – als kulturelles Kapital – die einzigen Garanten dafür, dass der Umgang der Menschen und der Geschlechter miteinander zivilisierter und kultivierter wird. Sie entscheiden auch darüber, was bei Begriffen wie '
die Handwerker'
oder '
die Wache'
gedacht, gemeint und verstanden wird, nicht die Begriffe selbst, wie irrtümlicherweise oft angenommen wird. Die überfälligen Korrekturen verlangen von uns – als Gesellschaft, aber auch von jedem einzelnen – einen hohen persönlichen Einsatz und grosse finanzielle Investitionen. Solange wir Erziehung und Bildung nicht den gebührenden Stellenwert einräumen, indem wir uns lieber jenseits unserer Kinder verwirklichen als durch sie und mit ihnen und indem wir Bildungsetats primär als Haushaltsposten mit jeder Menge Potential für Einsparungen betrachten, solange müssen wir uns zu Recht den Vorwurf der Hypokrisie gefallen lassen… und sind wir unmittelbar mitverantwortlich, wenn unsere Gesellschaften immer weiter verdummen und verrohen, wie allenthalben beklagt wird.
* Einen wunderbaren Artikel zur Verfassungsänderung an Universität Leipzig hat übrigens der Sprachwissenschaftler Hans-Martin Gauger am 10. Juli 2013 in der FAZ veröffentlicht: «Herr Professorin?». Es gibt sehr viele Parallelen zu meinen eigenen Ausführungen, aber Hans-Martin-Gauger ist auch kein Unbekannter für mich. Ihm verdanke ich die Erkenntnis, dass es eigentlich keine '
Synonyme'
gibt, sondern nur '
synonymische Kontexte'
. Aufgrund des Zwangs zur Sprachökonomie, der durch die begrenzte Speicherkapazität unseres Gehirns bedingt ist, kann es keine zwei Wörter ohne Bedeutungsunterschied geben. Allerdings gibt es Situationen, in denen die Unterschiede neutralisiert sind, wenn Begriffe stellvertretend für einen anderen verwendet werden, wie wir das etwa von '
Bildung'
und '
Erziehung'
bei der Bezeichnung von Ministerien kennen.
***
Nachtrag vom 5. Oktober 2020: Die Corona-Krise der letzten Monate hat – wie ein Katalysator – zahlreiche Prozesse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft enorm beschleunigt oder abrupt beendet und zugleich viele Phänomene in ungekannter Klarheit hervortreten lassen. Als die Gesellschaft erstmals zu einem Lockdown – und damit zu einer weitgehenden Umstellung auf Home Office und Home Schooling – gezwungen war, gab es schon kurze Zeit später einen Aufschrei vieler Frauen, nicht nur der Mütter kleiner und schulpflichtiger Kinder. Die zuletzt an KITAs und Schulen, aber auch an Restaurants, Haushaltshilfen oder alle möglichen Lieferservices und sonstige Dienstleister delegierten Aufgaben blieben auf einmal wieder mehrheitlich an ihnen hängen. Eine flächendeckende, totale Überforderung war die unausweichliche Folge. Corona bewirkte binnen kürzester Zeit nicht weniger als einen Rückfall in traditionelle Rollenmuster, die wir für längst überwunden gehalten hatten. Wie nun nicht mehr zu übersehen ist, hatten all die Anstrengungen, die in die Gleichstellung von Mann und Frau in Wort und Schrift geflossen sind, keine – oder doch kaum – Auswirkung auf gesellschaftliche Strukturen. Dabei wurde die Einführung politisch korrekter, gendergerechter Sprache doch sosehr an die Erwartung echter gesellschaftlicher Veränderungen geknüpft. Sollte sich der ganze Aufwand am Ende als riesige Fehlinvestition und als gelungener Selbstbetrug herausstellen? Sollte die ohnehin nur schwer erträgliche gendergerechte Aufblähung der Sprache entgegen den ihr zugrundeliegenden Motiven auch noch davon abgelenkt und damit wesentlich dazu beigetragen haben, dass der schon so lange überfällige Strukturwandel, um den es eigentlich geht, in Wirklichkeit nie stattgefunden hat? Es wäre weder das erste, noch das einzige Mal, dass angeprangerte soziale Missstände, die in der Folge von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden, strukturelle Veränderungen heraufbeschwören oder gar erzwingen, die eben diese Missstände dann aber doch nur scheinbar beseitigen. De facto sind sie nach dem Strukturwandel noch weniger oder gar nicht mehr angreifbar, was ihren Fortbestand dann um so besser sichert, wie ich demnächst in einem eigenen Beitrag aufzeigen werde.
Nachtrag vom 29. Oktober 2023: Bei meinem verstärkten Engagement auf LinkedIn seit diesem Jahr hat es auch immer wieder Anlässe gegeben, mich – neben dem Verweis auf diesen Beitrag – noch einmal zur Gender-Debatte zu äussern, zuletzt in einem Dialog mit Marc Prior, der sich als professioneller Übersetzer auch schon seit mehreren Jahren aus sprachlicher Sicht mit der Thematik befasst und seine Gedanken und Vorschläge dazu in einem eigenen Beitrag veröffentlicht hat. Als Quintessenz aus allen diesen Diskussionen, die erstaunlicher- und erfreulicherweise ausschliesslich auf der Sachebene geführt wurden, halte ich es für sinnvoll, an dieser Stelle die beiden für mich wichtigsten Argumente noch einmal zu präzisieren:
1. Bedeutungen kleben nicht an Zeichen
Seit Ferdinand de Saussure wissen wir, dass die Beziehung zwischen '
Zeichen'
und '
Bezeichnetem'
willkürlich ist, das heisst, sie sieht von Sprache zu Sprache anders aus und muss schlicht erlernt werden. Aus der Wissenssoziologie wissen wir, dass der Mensch als Ersatz für seine im Verlauf der Evolution verlorengegangene Instinktorientierung zur Sinnbildung gezwungen ist. Die Basis dafür bildet thematisch relevantes Wissen ('
Frauen und Minderheiten werden in unseren Gesellschaften ungleich behandelt'
), interpretationsrelevantes Wissen ('
Das ist ungerecht und muss dringend sichtbar gemacht und korrigiert werden'
) und motivations- bzw. handlungsrelevantes Wissen ('
Wir müssen entweder selber politisch aktiv werden oder Politiker wählen, die die Beseitigung dieser Ungleichheit ernsthaft verfolgen'
oder '
Wir müssen die Sprache verändern, um Frauen und Minderheiten sichtbar(er) zu machen, damit sich etwas ändert'
). Bedeutungen kleben nicht an den Zeichen, sondern entstehen auf der Basis von Wissen im Gehirn von Autoren/Sprechern und Lesern/Hörern. Weil das motivationsrelevante Wissen in diesem Fall unterschiedlich verteilt ist, gibt es Menschen, die Veränderungen über das Gendern herbeiführen wollen, und andere, die der Überzeugung sind, dass in der Sprache nur sprachliche Probleme und soziale Probleme nur über Politik oder Verhaltensänderungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft durch entsprechende Überzeugung beseitigt werden können. Die einen konzentrieren sich auf mehr Sichtbarkeit in der Sprache, die anderen setzen auf mehr Sichtbarkeit durch eine Änderung der (sozial)politischen Agenda. Und weil natürliche Sprachen sich nur entlang der Kommunikationsbedürfnisse von Mehrheiten ändern, sind künstliche Eingriffe keine zielführende Option. Eine grosse Mehrheit lehnt das Gendern aus unterschiedlichsten Motiven ab, und das wird sich auch nicht dadurch ändern, dass eine Minderheit trotzdem daran festhält.
Dabei wird übrigens völlig übersehen, dass sämtliche Zeichen, mit denen das Gendern die Sprache in Wort und Schrift verändern möchte, ebenfalls weder selbst-erklärend, noch selbst-verständlich sind. Ein * ist eben kein 😀. Da Sprache nach ökonomischen Prinzipien organisiert ist und funktioniert, weil die Kapazität des Gehirns begrenzt ist, ist es völliger Unsinn, neue Begriffe einführen zu wollen, nur weil sich bei bestehenden die Bedeutung geändert hat, was in jedem Fall gelernt werden muss.
2. Redundanz als Hauptgrund für das Scheitern '
gendergerechter'
Sprache
Redundanz ist ein typisches Merkmal mündlicher Kommunikation, vor allem in schriftlosen Gesellschaften. Indem Gedanken wiederholt, mit anderen Worten noch einmal anders ausgedrückt werden, gelingt es den Hörern besser, sie nachzuvollziehen und sich zu merken. Deshalb ist das Ablesen von textlastigen Powerpoint-Präsentationen oder von schriftlich ausgearbeiteten Vorträgen so absurd. Man könnte die Texte besser austeilen und sich den Vortrag sparen. Vorträge sind dann am besten, wenn sie eine Teilhabe an der Entwicklung von Gedanken und Argumentationslinien ermöglichen. Schriftliche Texte können auf Redundanz komplett verzichten, denn die Leser können einen Text in ihrer eigenen Geschwindigkeit – und bei Bedarf auch mehrfach – lesen, bis sie ihn verstanden haben, sofern er nicht zu voraussetzungsvoll ist.
Das Gendern erzeugt eine völlig andere Redundanz, die es bisher weder in oralen Kulturen, noch in Schriftkulturen so gab. Es geht um eine einzige Information, die immer dann, wenn innerhalb eines Textes oder eines Gespräches gegendert wird, wiederholt wird, also unter Umständen unzählige Male in einem Buch: '
Es gibt unterschiedliche biologische und psychologische Geschlechter, und diese sind alle an dieser Stelle mitgedacht und mitgemeint'
. Ab der ersten Wiederholung in einem Text/Gespräch ist diese Information überflüssig. Sie hilft nicht einem besseren Verständnis oder einer besseren Verankerung dieses einen Gedankens im Gedächtnis des Hörers/Lesers, im Gegenteil: sie stört ungemein die Konzentration auf den eigentlichen Inhalt, der von der Redundanz zugeschüttet wird. Am Ende bleibt dann nur diese eine, ständig wiederholte Information ohne neuen Erkenntnisgewinn hängen: '
Der Sprecher/Autor gehört auch zu denjenigen, die meinen, alle biologischen und psychologischen Geschlechter müssten bloss über die Sprache sichtbar(er) gemacht werden, dann würden die sozialen Missstände schon von alleine verschwinden'
. Die überflüssige Wiederholung einer und derselben Information in einem Text/Gespräch zerstört nicht nur die Sprache, sie nervt zwangsläufig. Die Reaktion besteht nicht in der Beseitigung der Ungleichheiten und der Ungerechtigkeiten, damit das Gendern keine Grundlage mehr hat und endlich wieder aufhört, sondern in einem Rückzug aus allen Situationen, in denen gendergerechte Sprache gepflegt wird. In der Konsequenz bedeutet das aber: es wird sich gar nichts ändern, weil die Mehrheit sich abwendet. Man gendert also nur noch für sich selbst, das Gendern wird zu einer Duftmarke, die Gleichgesinnten signalisiert: Wir sind auf derselben Seite. Und wer damit einmal angefangen hat, kommt wohl auch nicht mehr – ohne vermeintlichen Gesichtsverlust – aus der Nummer heraus. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass das Gendern in spezifischen Milieus überleben wird, die aber allein schon wegen ihrer sprachlichen Andersartigkeit von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt werden dürften. Schade um die vergeudeten Energien, die besser in sozialpolitisches Engagement gesteckt worden wären, um endlich die eigentlichen Probleme zu lösen… und nicht nur in einer Dauerschleife immer wieder nur darüber zu reden. Ich nenne das: '
barking up the wrong tree'
.